Tokyo, Japan – Comme un Mille-feuille

Oh la la Tokyo

Schon der Name und die Schreibweise haben mir immer gefallen und in Paris habe ich mich gefreut, wenn ich am Palais de Tokyo vorbeigekommen bin. Andreas hat mir von dem echten Tokyo in Japan sehr viel vorgeschwärmt und nun haben wir diese lang ersehnte Station unserer Reise erreicht und eine Woche in dieser Metropole verbracht. Meine größte Angst vor Japan war, dass ich als jemand, der keinen Fisch isst, verhungern werde und ich geschwächt durch die Straßen Tokyos schleichen muss.  Zu meinem Erstaunen und meiner Freude haben die Japaner und ich allerdings eines gemeinsam und das ist die Liebe zu Paris und da Liebe durch den Magen geht v.a. die Liebe zur französischen Backkunst, die sie beherrschen wie ein Meisterwerk. Der Verzehr dieser Kunst wird natürlich zelebriert – man dekoriert und drapiert gekonnt, man nimmt sich Zeit und legt Wert auf ein perfektes Ambiente. Man erschafft ein Erlebnis für alle Sinne mit Perfektion und einem Auge für Details und das ist vielleicht etwas typisch japanisches und etwas, was einem überall begegnet.

Tausend Schichten

Tokyo hat wie ein Mille-feuille in der französischen Backkunst tausend Gesichter. Es gibt unglaublich viel zu entdecken und die Stadt und was sie ausmacht, ist schwer zu greifen und wahrscheinlich für jeden etwas anderes. Denn jeder findet etwas, das ihn fasziniert oder womit er sich identifizieren kann. Tokyo kann laut und schrill sein, mit unentwegt flackernden Werbetafeln, Werbesongs und Stimmen, die etwas anpreisen. Manga und Computerspiele werden in Merchandise-Artikeln aller Art angepriesen und man fühlt sich fast wie in eine animierte Parallelwelt versetzt. Das Ganze wird so allumfassend zelebriert, dass es einem normal und absurd zugleich vorkommt. Erst nach langer Erkundungstour merkt man seine völlig überreizten Sinne und der Wunsch nach Ruhe keimt auf.

Ruhe findet man in Tokyos Gärten, am Wasser oder bei einer Teezeremonie. Man findet sie überall dort, wo Menschen bewusst etwas tun oder genießen. Wenn sie sich kunstvoll um ihre Pflanzen kümmern, sie sich Zeit nehmen, um Tokyos Skyline zu zeichnen, wenn sich die Frauen traditionell zurechtmachen, um besondere Anlässe zu feiern oder der Tee mit Ernsthaftigkeit sowie gekonnten und fokusierten Handgriffen zubereitet wird. Man merkt hier einen besonderen Respekt für seine Umwelt und das Verlangen, sich mit ihr zu verbinden. Erich Fromm würde hier erfreut eine gesunde Seins-Orientierung entdecken im Gegensatz zum konsumorientierten Haben.

Allerdings fröhnt man in Tokyo dem Haben, dem Konsum und dem Prestige in einem Ausmaß, das dem westlichen in nichts nachsteht. Die Anzahl an Shopping-Centern, teuren Autos und glitzernden Handyetuis und Handtaschen ist gigantisch. In all den schönen Cafés, in denen man dem französischen Savoir Vivre nachgeht, möchte man auch gerne perfekt gestylt zu sehen sein.

Leben ist Vielfalt

So ist Tokyo wie das Leben selbst, v.a. widersprüchlich. Man kann sich perfekt in Fantasiewelten wie die des Mangas zurückziehen, man kann sich wie in Paris und einer Welt der perfekten Ästhetik fühlen. Man kann sich auf Traditionen besinnen und neue Identäten suchen, man kann heute an der Meisterschaft in einer Disziplin arbeiten und morgen dem Konsum fröhnen.

Tokyo und seine Menschen scheinen z.T. noch der Tradition verhaftet, mehr noch, scheinen sie sich aber auch neu zu finden und zu experimentieren, mit ihren Wünschen und Möglichkeiten. Bei allem, was sie tun, haben wir die Japaner bisher immer voller Höfflichkeit und Respekt, mit viel Eifer und detailorientierter Perfektion erlebt. Vielleicht ist das der gemeinsame Nenner, der die vielen Schichten Tokyos zusammenhält wie die Creme das Mille-feuille.